Gewonnenes Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht

Gewonnenes Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht
Bild von Sang Hyun Cho auf Pixabay

Für Alexandra (Name geändert) endete im Juni ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Freien Universität Berlin. Alexandra war als technische Mitarbeiterin im IT-Support tätig und gewann am 30.06.21 letztinstanzlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) gegen die Unileitung (AZ: 7 AZR 245/20).

Das BAG beurteilte das Auslaufen ihres Vertrages vor 38 Monaten durch Befristung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) als unwirksam. Zuvor hatte Alexandra bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Berlin (AZ: 56 Ca 7094/18) sowie in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg recht bekommen (AZ: 20 Sa 1830/18), was die Unileitung nicht davon abhielt, das Verfahren vor dem BAG fortzusetzen.

Hintergrund des Verfahrens

Das BAG stellte die Unwirksamkeit der Befristung nach WissZeitVG fest. Damit besteht das Arbeitsverhältnis fort. Folglich muss der Lohn der vergangenen 38 Monate nachgezahlt werden, und die Stelle ist nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) einzugruppieren. Durch die Tarifautomatik war ihr Beschäftigungsverhältnis de facto von Beginn an im TV-L eingruppiert und lediglich falsch vergütet und rechtswidrig befristet.

Vorausgegangen war ein langer, juristischer Streit, der wesentlicher Bestandteil der Tarifaus-einandersetzung zwischen den Hochschulen, den studentischen Beschäftigten und ihren Gewerkschaften um einen Tarifvertrag war: Die Unileitung übertrug Alexandra wie Hunderten anderen studentischen Beschäftigten berlinweit aus Kürzungsgründen nichtwissenschaftliche Tätigkeiten und bediente sich an den erweiterten Befristungsmöglichkeiten des WissZeitVG. Die Verträge der studentischen Beschäftigten wurden somit rechtswidrig befristet, und die Arbeit wurde nach dem für die Universität billigeren Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte entlohnt. Stammarbeitsplätze in Büros, Bibliotheken und der IT wurden durch vermeintliche studentische Hilfskraftstellen ersetzt. Die Studierenden übernahmen Sekretariatsaufgaben, Verwaltungsaufgaben, zum Teil anspruchsvolle Arbeiten im IT- und Bibliotheksbereich, ohne angemessen (nämlich nach TV-L) bezahlt zu werden.

Nachdem bereits 2018 das LAG Berlin-Brandenburg (AZ: 7 Sa 143/18) in einem Verfahren gegen die Humboldt-Universität die jahrelange Praxis der Anwendung des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte (TV-Stud) auf diese studentischen Beschäftigten im nichtwissenschaftlichen Bereich als rechtswidrig bewertete, musste von allen Seiten – auch vom Senat – anerkannt werden, dass diese Tätigkeiten nach dem Tarifvertrag der Länder eingruppiert und bezahlt werden müssen. Der Wissenschaftssenat gab nach langem Ringen sogar zusätzliche Mittel in Höhe von 4 Millionen jährlich für die Hochschulen frei. Es sollte keine Ausrede mehr geben: Die nichtwissenschaftlichen TV-Stud-Stellen müssen in TV-L-Stellen umgewandelt werden, so der Senat in seiner damaligen Presseerklärung. Trotzdem setzte die Unileitung das Verfahren bis vor das Bundesarbeitsgericht fort.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/406098.lohndumping-juristischer-sieg.html

O-Töne

Claudius Naumann, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe der FU:

“Es ist Teil der Zermürbungsstrategie des Präsidiums, Verfahren durch alle Instanzen zu treiben. Beschäftigte werden unter finanziellen Druck gesetzt, in der Hoffnung, sie knicken ein. Ihren verdienten Lohn bekommen sie wie in diesem Fall erst nach Jahren. Das soll Beschäftigte abschrecken, ihre Rechte geltend zu machen. Der Fall zeigt, dass es sich lohnt, für seine Rechte aufzustehen und sich gewerkschaftlich zu organisieren.”

Franziska Brychcy, Mitglied im Wissenschaftsausschuss im Abgeordnetenhaus Berlin (Die Linke):

“Ich finde es skandalös, wie die FU bis zum Bundesarbeitsgericht eskaliert, anstatt sichere Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, gerade vor dem Hintergrund, dass Lösungen erarbeitet wurden und der Senat die Gelder bereitstellte. Mit dem Urteil wird ein weiteres Mal klar, dass die Unileitung der FU Berlin entgegen ihrer Außendarstellung als Exzellenzuniversität eine besonders harte Linie vertritt und anstatt gute, entfristete Arbeit im TVL zu schaffen sogar bereit ist, in aussichtslose Rechtsstreitigkeiten gegen studentische Beschäftigte bis zum Bundesarbeitsgericht zu gehen. Das ist für uns als R2G-Koalition in Berlin nicht hinnehmbar! Wir müssen daher dringend über weitere gesetzliche Instrumente diskutieren, um die Schaffung guter Arbeit an den Berliner Universitäten verbindlich zu regeln!”

Sylvia Bayram, Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA):

“Der vorliegende Fall zeigt, dass das FU-Präsidium trotz der Finanzspritze des Senats den kostspieligen Gang vors Bundesarbeitsgericht fortsetzte, was steuerpolitisch ein Skandal ist. Auch vor dem Hintergrund, dass es allein bei der FU zwei weitere ähnliche laufende Verfahren gibt. Aufgrund der juristischen Niederlage ist es nun so, dass die FU alle Gerichtskosten beider Parteien tragen muss.”