Am 07.07.2022 lud die ver.di-Betriebsgruppe mit dem Personalrat Dahlem Politiker:innen der Berliner Regierungsfraktionen zu einem politischen Spaziergang über den Campus der Veterinärmedizin der FU in Düppel. Dabei liefen sie einzelne Stationen ab, an denen Beschäftigte über ihre Arbeitsbedingungen berichteten. Ziel war es, den Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, direkt mit den wissenschafts- und tierschutzpolitischen Sprecher:innen in den Austausch zu treten, was sie großartig umgesetzt haben. Daher gilt ihnen unser besonderer Dank.
Rückblickend stellen wir fest, dass die Aktion ein großer Erfolg war. Die Leitung des Fachbereichs nahm auch an dem Spaziergang teil. Man hätte befürchten können, dass Beschäftigte deswegen nicht so offen über ihre desaströsen Arbeitsbedingungen berichten. Letztere waren aber bereits bekannt. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) hatte im Vorfeld Dienstpläne beim Präsidium der FU angefordert, aus denen eklatante Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz hervorgingen. Das Pikante: Insbesondere die tatsächlich durchgeführten Ist-Dienstpläne der Kleintierklinik mussten dem LAGetSi zugestellt werden, dem Personalrat wurden diese bis heute vorenthalten.
Dem Spaziergang vorangegangen war, dass die FU die 24-stündige klinische Notfallversorgung für kleine Haustiere einstellte. Seit dem 15. Mai konnten deshalb nachts keine kranken Haustiere mehr notbehandelt werden. Inzwischen wurde auch der Wochenendnotbetrieb eingestellt. Dies stellt eine Einschränkung der öffentlichen Daseinsvorsorge bei der Tierversorgung in und um Düppel dar. Wohin sollen z.B. Anwohner:innen ihren Vierbeiner bringen, wenn das Tier in einer Notsituation ist? Eine unternehmerische Entscheidung mit politischen Folgen also, möglicherweise auch dabei, wo bei der nächsten Wahl das Kreuzchen gemacht wird. Und eine Entscheidung, die ganz besonders zu Lasten des Tierwohls geht, worauf insbesondere die tierschutzpolitischen Sprecher:innen beim Spaziergang ein besonderes Augenmerk legten.
Viel dreht sich also um die Frage der Verantwortlichkeit: Bekommt die FU zu wenig Mittel vom Senat, um einen gesunden Betrieb für Mensch und Tier zu gewährleisten? Oder kommen die Mittel des Senats nicht bei den Beschäftigten an?
Diese Frage konnte nicht abschließend geklärt werden. Das FU-Präsidium jedenfalls begründet bis heute den Personalmangel an den Tierkliniken damit, kein qualifiziertes Personal zu finden. Beschäftigte kritisierten indes unbesetzte Haushaltsstellen. In Widersprüche verstrickte sich die Leitung des Fachbereichs und der Kleintierklinik, als sie vortrug, kein Personal zu finden, gleichzeitig aber nicht schlüssig erklären konnte, warum unbefristete Übernahmemöglichkeiten für Auszubildende nicht genutzt werden. Ebenso widersprüchlich ist, dass behauptet wurde, dass es in der Kleintierklinik kaum offene Stellen gebe. Wie lässt sich dann erklären, dass mit der gleichen Personalstärke zuvor Nacht und Wochenenddienste geleistet wurden? Gleichzeitig stellt dies ein Eingeständnis dar, dass bei den Arbeitszeiten massiv gegen Gesetz und Tarifvertrag verstoßen wurde.
Ein weiteres, erhebliches Problem: Die Fachbereichsleitung gibt nicht nur vor, kein neues, qualifiziertes Personal zu finden – sie hat auch Schwierigkeiten langjährige Mitarbeiter:innen zu halten. Zahlreiche Beschäftigte hatten allein in den letzten Monaten in der Kleintierklinik Kündigungen eingereicht und diese verlassen. Einige von ihnen unterschrieben postwendend einen Arbeitsvertrag bei einem benachbarten „Medizinischen Kleintierzentrum“, das nur 4 Autominuten entfernt ist. Wieso gelingt es dieser benachbarten Tierpraxis Personal einzustellen, während die FU keines findet? Sollte das auch an der Personalpolitik der FU insgesamt liegen?
Auch dieser Frage wurde beim Spaziergang nachgegangen, denn im gesamten Bereich der Veterinärmedizin beklagen Beschäftigte zusätzlich zu Arbeitszeitverstößen nicht vergütete tarifliche Zuschläge und zu niedrige Eingruppierungen. Zu nicht gezahlten tariflichen Zuschlägen ließ die Leitung der FU kürzlich auf einer Versammlung erklären, dass diese nicht beantragt worden wären bzw. dass die Personalabteilung davon nichts gewusst hätte. Hier bleibt festzuhalten, dass tarifliche Leistungen und insbesondere Zuschläge nicht beantragt oder (nach)verhandelt werden müssen – und in vielen Fällen sogar gerichtlich durchgesetzt werden mussten –, sondern unaufgefordert vom Arbeitgeber zu erbringen sind. Vorgänge, die mit mühsam aufgebauten politischen Initiativen wie dem Forum „Gute Arbeit an Berliner Hochschulen“ nur schwer in Einklang zu bringen sind. Die Installation des Forums wurde zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zwischen Senat und Unileitungen in den Hochschulverträgen 2018 vereinbart. Es scheint also eine politisch nicht unerhebliche Tragweite zu haben, wie die FU-Leitung mit ihren 6500 Beschäftigten umgeht.
An der Veterinärmedizin der FU, das durften die Politiker:innen bei dem Spaziergang erfahren, sind es zum großen Teil hausgemachte, abstellbare Missstände wie nicht tarifkonforme Entlohnungen, der Umgang mit dem Personal, gravierende Mängel in der Arbeitssicherheit, die dafür sorgen, dass Beschäftigte sich wegbewerben und die Situation weiter eskaliert. Missstände, auf die Personalräte und Gewerkschaften lange hingewiesen haben. Seit Monaten kommt der Betrieb an der Kleintierklinik regelrecht zum Erliegen, ohne dass wirksame Maßnahmen durch das Präsidium erkennbar sind, diesen Trend aufzuhalten oder die Beschäftigten vor Ort konkret zu unterstützen.
Ein weiterer Missstand besteht darin, dass offensichtlich Bereiche der Veterinärmedizin, die nicht so „gewinnbringend“ sind wie Kleintier- und Pferdeklinik „vergessen“ werden, wie die Kollegen der Klautentierklinik feststellten, die die Politiker:innen über das Gelände führten. Der bauliche und technische Rückstand ist im Vergleich zu anderen Instituten am Fachbereich Veterinärmedizin immens. Jede Form technischer Erleichterung wurde zudem als zu kostenintensiv bewertet und abgeschafft. Viele Arbeiten müssen nun zum größten Teil wieder mit Körperkraft durchgeführt werden, bei gleichzeitigem Stellenabbau.
Im Rahmen der studentischen Ausbildung sollte eine Universitätsklinik eine Vorbildfunktion haben und den Studierenden stets den neusten und besten Standard aufzeigen. Dies gilt sowohl für die medizinische Ausstattung als auch für die Tierhaltung an sich. Davon ist die Klauentierklinik nach Auskunft der Kollegen leider weit entfernt, haben viele Bereiche doch eher einen Museumscharakter.
Die Kollegen der Klauentierklinik betonten, dass die tierärztliche Ausbildung nicht wirtschaftlichen sondern in erster Linie gesellschaftlichen Interessen unterliegen sollte. Die Kostenfreiheit dieses teuren Studiengangs diente ursprünglich der Gewinnung von Fachpersonal zur Gewährung eines gewissen Sicherheitsstandards für Lebensmittel.
Sie würden sich viel häufiger einen so konstruktiven Austausch wünschen, um eine positive Veränderung für die Klinik zu erreichen.
Rückblickend sehen wir als Betriebsgruppe in dem politischen Austausch einen ersten Schritt, dem aber dringend Taten folgen müssen. Das zeigt der in dieser Woche eingetroffene, inzwischen dritte Brandbrief der Beschäftigten der Kleintierklinik. Wieder können Dienste nicht abgedeckt werden. Die Beschäftigten stehen vor unlösbaren Aufgaben aufgrund des Personalmangels.
Anlass für uns Statements einzuholen, wie die Politiker:innen den Spaziergang erlebt haben und was sie und FU-Verantwortliche kurz- und langfristig planen, um die Zustände zu verbessern.
Statements hier.
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