Gespräch der ver.di-Betriebsgruppe mit dem Präsidenten der Freien Universität
Am Mittwoch, den 31.08.2022 folgte der Vorstand der ver.di-Betriebsgruppe einer Einladung des Präsidenten der FU, Herrn Prof. Ziegler, ins Präsidium. Anwesend waren auch Frau Güttner (Vertreterin der Kanzlerin) und Frau Prof. Blechinger-Talcott (Erste Vizepräsidentin). Die Einladung war bemerkenswert, weil es eine solche Einladung in der Geschichte der FU unseres Wissens noch nicht gab und die Gesprächsatmosphäre durchaus lösungsorientiert war
Herr Ziegler ist verantwortlich für 6500 Beschäftigte und verwaltet einen Haushalt von einer Milliarde Euro. Kürzlich wurde Herr Ziegler als Präsident der Freien Universität Berlin wiedergewählt. Im Wahlkampf versprach er Tariftreue und die Achtung der universitären Gremien und ihrer Rechte. Wir nutzten das Gespräch, um Forderungen an das Präsidium zu übergeben. Wir teilten dem ganzen Präsidium mit, dass den Worten nun Taten folgen müssen.
Transparente Universität und die Causa Bör
Niemanden wird es entgangen sein. Die FU steckt in einer tiefen Krise. Nicht zuletzt ausgelöst durch die scheidende Kanzlerin Frau Bör. Zwar wurde Kanzlerin Bör die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt – eine Vielzahl jüngster Ereignisse zeigen jedoch, dass die Probleme an der FU sehr viel tiefer liegen.
Während Frau Bör in die Kasse griff, um eine Personalfirma zu beauftragen, Gegenkandidat*innen gegen Ziegler zu finden, wird beim Bodenpersonal, also bei uns Beschäftigten, bis heute der Tarifvertrag unterlaufen. Völlig unstrittige Lohnregelungen wie die IT-Zulage oder Eingruppierungsvorgaben für Bibliotheksbeschäftigte werden nicht umgesetzt, oft mit dem Hinweis auf Personalmangel in den Abteilungen Stellenwirtschaft und Personalstelle.
Eine Rechtfertigung, die wir nicht mehr gelten lassen können. Denn das fortwährende Drücken der Löhne, das Vorantreiben komplizierter Herabgruppierungsvorgänge und damit verbundene, gerichtliche Auseinandersetzungen binden ja eben jene knappen Ressourcen, die besser für statt gegen Beschäftigte eingesetzt werden sollten. Auch wenn der durch das Präsidium vielzitierte Neuanfang in Sachen Personalpolitik ehrlich gemeint ist, warum setzt sich diese Personalpolitik fort? Gibt es offenbar bis heute zu viele Akteure der Basta-Politik Börs in strategisch wichtigen Positionen?
Alter Wein in neuen Schläuchen!
Wir glauben jedenfalls nicht, dass die Probleme durch den alleinigen Austausch der Kanzlerin gelöst werden können. Wir vertreten die Auffassung, dass die konfrontative Personalpolitik der FU ein Ergebnis über Jahre gewachsener Strukturen ist, begleitet von befremdlichen Vorkommnissen und Klüngeleien.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Über Jahre wurden Beschäftigte an der FU mit Unterstützung des bis Dezember 2020 amtierenden, präsidiumsnahen Personalrats Dahlem zu niedrig eingruppiert. Als dann die aus unserer ver.di-Betriebsgruppe hervorgegangene offene Liste für den Personalrat Dahlem im Dezember 2020 die Wahl gewann, verschwanden über Nacht alle Unterlagen des Personalrats Dahlem. Tausende von wertvollen Dokumenten wie Dienstvereinbarungen, Stellenbeschreibungen, Stellenbewertungen, Regelungsabreden und mit Gerichten geschlossene Vergleiche, die der Personalrat nutzen könnte, um sich für die Rechte der Beschäftigten einzusetzen, wurden vom abgewählten Personalrat Dahlem unter der Verantwortung der Personalratsvorsitzenden in Absprache mit Kanzlerin Bör geschreddert. Die Personalratsvorsitzende kletterte während ihrer Amtszeit die Karriereleiter hinauf und darf seit ihrer Abwahl einen hochdotierten Posten in einer Stabstelle beim FU-Präsidium bekleiden, der derzeit lautet: Teilprojektleitung Organisatorisches Change Management und Kommunikation, Schwerpunkt Universitätskultur und Organisationsentwicklung.
Ohne die Akten ist rückblickend nicht mehr nachvollziehbar, wer in der Vergangenheit welche Posten bekam, ob diese ausgeschrieben und rechtskonform besetzt wurden. Dies betrifft auch die hochdotierte Stelle der ehemaligen Personalratsvorsitzenden selbst, die unseres Wissens nach nicht ausgeschrieben wurde.
Unsere Forderung an das Präsidium lautete deshalb, dass ähnlich wie bei der Causa des RBB, ausgelöst durch die Chefin des RBB Patricia Schlesinger, die übrigens auch im Kuratorium der FU saß, die Strukturen der Freien Universität untersucht, aufgearbeitet und verändert werden müssen. Dazu gehört die Schaffung einer unabhängigen Kontrollkommission unter Beteiligung der Gewerkschaft und die Offenlegung aller Prämienzahlungen sowie aller außertariflichen Zahlungen, die während der Amtszeit Frau Börs getätigt wurden. Darüber hinaus muss offengelegt und untersucht werden, welche Beschäftigte Stellen der Entgeltgruppen E 10 aufwärts bekleiden, die zuvor nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – ausgeschrieben wurden.
Tariftreue statt Ausbeutung!
Wir fordern vom Präsidium ein für alle Mal die lückenlose Einhaltung des Tarifvertrags. Dieser wird bis heute an vielen Stellen unterlaufen. Zuschläge wie die Überstundenzuschläge werden flächendeckend nicht vergütet. Die FU verfügt über keine wirksame Infrastruktur, um Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der tariflichen Entlohnungsgrundsätze zu dokumentieren. Es gibt auch keine Software, die eine tarifkonforme Abrechnung von Dienstplänen ermöglicht. Zulagen wie die IT-Zulage, die vom Präsidium selbst zur Personalgewinnung auf den Weg gebracht wurde, wird in etlichen Fällen nicht vergütet. Die Freie Universität ist so in den vergangenen Jahren Hunderten Beschäftigten Lohn schuldig geblieben. In nicht wenigen Fällen handelt es sich um vier- und sogar fünfstellige Beträge.
Tarifkonforme Eingruppierungen!
Wir forderten vom Präsidium tarifkonforme Eingruppierungen. Dem arbeitsmarktpolitischen Trend, nach dem sich inzwischen Unternehmen um qualifizierte Beschäftigte bemühen müssen und nicht umgekehrt, muss vor Allem im Interesse des Universitätsbetriebs Sorge getragen werden, indem die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung auf- statt abgewertet werden.
Wir erleben jedoch, dass oft die niedrigste Eingruppierung, die der Tarifvertrag hergibt, bei Einstellungen und Ausschreibungen herangezogen wird. Selbiges gilt bei den Erfahrungsstufen. In Bereichen, wie bei der Betriebstechnik, in der bis zum 01.01.2018 Betriebshandwerker:innen mindestens mit der Lohngruppe 7 beschäftigt wurden, arbeiten inzwischen über 50 Prozent der Beschäftigten nach der Lohngruppe E5 und E6. Inzwischen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Eingruppierung von Handwerkern eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Auch wenn die Entscheidung des BAGs den TVöD betrifft, erhält dadurch die Forderung des Personalrats Dahlem und der ver.di-Betriebsgruppe, dass Betriebshandwerker*innen die Entgeltgruppe 7 erhalten müssen, höchstrichterliche Rückendeckung. Mit einer ähnlichen, sukzessiven Abwertung sind die Medientechniker:innen an der FU konfrontiert.
Outsourcing beenden!
Zur Einhaltung eines Tarifvertrages gehört auch, dass man diesen nicht durch Outsourcing oder Werkverträge unterläuft. Wir mussten das Präsidium deshalb auffordern, die sukzessive Ausweitung des Outsourcings durch die Fremdvergabe der Bewirtschaftung von Freilandflächen am Botanischen Garten zurücknehmen!
Schon während der Rückführung der einst in die Betriebsgesellschaft des Botanischen Gartens ausgegliederten Beschäftigten in die FU wurde das nächste Outsourcing-Modell ausgeweitet und bis heute vorangetrieben. Mit dem sozial fragwürdigen Instrument des Werkvertrages zur Umgehung der mitbestimmungspflichtigen Leiharbeit lässt die FU immer mehr Flächen im Freiland des Botanischen Gartens wie die Rosengärten und Schmuckgärten durch eine Fremdfirma pflegen. Dabei handelt es sich um Daueraufgaben, die durch Tarifbeschäftigte erledigt werden müssen. Die Ausgliederung der Beschäftigten des Botanischen Gartens in eine 100prozentige Lohndumpingtochter der FU war ein bundesweit wahrgenommener Skandal. Es ist inakzeptabel, dass unmittelbar nach der Rückführung der ausgegliederten Beschäftigten im Januar 2018 und der Verabredung mit Senat, den Gewerkschaften und den Beschäftigtenvertretungen am Botanischen Garten wieder damit begonnen wurde, Outsourcing voranzutreiben und Tarifflucht zu begehen.
Wir forderten außerdem:
- Insourcing der Aufgaben der Reinigung;
- die Beendigung von Schikanen gegenüber Personalratsmitgliedern;
- Stärkung und Beteiligung der Sicherheitsbeauftragen;
- mehr Personal durch unbefristete Übernahme von Azubis nach der Ausbildung;
- die Weiterbildung von Azubis und allen Mitarbeitenden, insb. in den unteren Entgeltgruppen.
Was Präsident Ziegler sagt:
„Die Einhaltung des Tarifvertrages hat für uns oberste Priorität“, versicherte Präsident Ziegler. Und: Bei Eingruppierungen soll künftig die oberste Eingruppierung und Stufe gewählt werden, die nur möglich sei. Ziegler erwartet die Einhaltung des Tarifvertrags in allen Abteilungen. Tarifverträge seien wesentlicher Bestandteil der gesellschaftlichen Werteordnung und des sozialen Friedens, stimmte er uns zu. Dies sei keine Floskel, sondern gerade in Krisenzeiten wie diesen, von besonderer Bedeutung. Ziegler erwarte, dass der Tarifvertrag von den Abteilungen entsprechend umgesetzt wird.
Alle anderen Forderungen der Betriebsgruppe sollen sukzessive angegangen werden!
Einen Kommentar hinterlassen