Die ver.di-Mitgliederversammlung vom 13. Mai 2024 schließt sich der Stellungnahme von ver.di vom 23.03.2024 an:
Die Gewerkschaft ver.di lehnt die Einführung von ordnungsrechtlichen Mitteln bis hin zur Möglichkeit der Exmatrikulation an den Berliner Hochschulen ab. Die entsprechenden Passagen waren 2021 zu Recht aus dem Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) gestrichen worden. Die Koalition von CDU und SPD plant aktuell die Wiedereinführung eines verschärften Ordnungsrechts. Ein entsprechendes Gesetz hat der Berliner Senat – ohne vorherige Anhörung der Gewerkschaften – beschlossen und will es nun dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorlegen.
Diese Wiedereinführung wirft grundsätzliche rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Fragen auf und hilft zudem den Betroffenen nicht. Die Möglichkeit zur Exmatrikulation – insbesondere ohne vorherige Verurteilung – schafft eine Paralleljustiz an den Universitäten. Zugleich hilft die Reform den Betroffenen von Übergriffen und Diskriminierung nicht. Entsprechende Entscheidungen der Universitäten können rechtlich angefochten werden und werden damit gegebenenfalls erst mit mehreren Jahren Verzögerung wirksam. Die Maßnahmen helfen also nicht, um den Kontakt zwischen Betroffenen und Täter*innen zu unterbinden.
Dass die Ermöglichung von Exmatrikulationen als Maßnahme des Betroffenenschutzes dargestellt wird, wertet ver.di deshalb als populistische Stimmungsmache im Sinne einer Law-and-Order-Politik an den Universitäten.
„Den gewalttätigen Angriff auf einen jüdischen Studenten verurteilen wir. Er stellt die Zuspitzung einer politischen Verrohung in den letzten Monaten dar, die uns als Gesellschaft beunruhigen muss. Wenn jedoch ausgerechnet die Parteien, die der Einführung von mit starken Rechten ausgestatteten Antidiskriminierungsbeauftragen in der Vergangenheit skeptisch gegenüber standen, jetzt in der ersten Reihe stehen, um diese Tat für ihre Agenda auszuschlachten, ist das nicht glaubwürdig“, erklärt die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Bildung für Berlin und Brandenburg, Jana Seppelt.
Vielmehr ist durch die Wiedereinführung des Ordnungsrechts an den Hochschulen zu befürchten, dass politisch aktive Studierende eingeschränkt werden sollen. Die ursprüngliche Einführung von Ordnungsmaßnahmen an den Hochschulen ist als Reaktion auf die Studierendenbewegung der 68er zurückzuführen.
ver.di fordert an Stelle von Law-and-Order-Schnellschüssen wirksame Maßnahmen sowohl zur Prävention von Diskriminierung und Gewalt als auch zum Schutz von Betroffenen. Dazu gehören insbesondere der Ausbau und die Unterstützung der Antidiskriminierungsbeauftragten an den Hochschulen. Die Hochschulen müssen Pläne für die Sensibilisierung gegenüber Diskriminierung entwickeln und diese auch umsetzen.
„Vertreter*innen der Hochschulen, die Gewerkschaften und die Vertretungen der Studierendenschaften stehen gegen diese Pläne des Senats. Dass der Senat ein derart weitreichendes Gesetz beschließt, ohne dazu die Gewerkschaften anzuhören, ist ein Affront. Es entsteht der Eindruck, hier soll eine gesellschaftliche Debatte vermieden werden. Doch gerade im Kampf gegen Diskriminierung brauchen wir die breite gesellschaftliche Diskussion. Es ist Zeit, dass die Koalition diese hochschulpolitische Geisterfahrt beendet und das Ordnungsrecht an den Hochschulen in die Mottenkiste legt, wo es hingehört“, erklärt Seppelt abschließend.