FU-Leitung ging durch alle Instanzen und scheiterte: Befristung studentischer Hilfskräfte nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz geht nur bei wissenschaftlichen Tätigkeiten.
Studentische Beschäftigte an Hochschulen können nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristet werden – wenn sie künstlerische oder wissenschaftliche Hilfstätigkeiten ausüben. Sonst aber nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, indem es die Revision der Freien Universität gegen ein Urteil des Berlin-Brandenburger Landesarbeitsgerichts Ende Juni 2021 zurückwies. Die Entscheidung ist nicht nur eine Blamage für die FU-Spitze. Sie könnte für den sachfremden Einsatz studentischer Hilfskräfte auch bundesweit weitreichende Folgen haben.
Ursprünglich geklagt hatte eine FU-Studentin gegen ihren nach dem WissZeitVG befristeten Arbeitsvertrag. Sie war als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt, tatsächlich aber beriet sie die Fachbereiche der Universität bei Einrichtung und Betrieb digitaler Plattformen. Da dies keine wissenschaftliche Hilfstätigkeit sei, sei die Befristung unzulässig, so die einhellige Meinung des Arbeits- und des Landesarbeitsgerichts, die nun auch vor dem BAG Bestand hatte. »Indirekt folgt daraus auch, dass die Kollegin nach dem Tarifvertrag der Länder, dem TV-L, eingruppiert werden muss, nicht nach dem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte«, erklärt die Berliner ver.di-Sekretärin Jana Seppelt. »Für Dienstleistungstätigkeiten in Hochschulen gilt der TV-L – unabhängig davon, ob die Beschäftigten auch als Studierende eingeschrieben sind oder nicht.« Das sei zwar an sich nichts Neues und schon lange die Rechtsauffassung der Gewerkschaft. »Da aber die Praxis vielerorts anders ist, begrüßen wir es sehr, dass das höchst deutsche Arbeitsgericht dies nun noch einmal klargestellt hat«, so Seppelt, die allerdings darauf verweist, dass die Begründung des BAG noch aussteht.
Dass die FU den Fall durch alle Instanzen geklagt hat, hat also einen positiven Nebeneffekt. Zugleich sieht die Gewerkschafterin dies als »Ausdruck einer ideologisch motivierten Haltung dieser Arbeitgeberin, die Beschäftigtenrechte oft nicht respektiert«. Dazu passt, wen sich die FU-Spitze als ihre juristische Vertretung ausgesucht hat: Es ist die Kanzlei Beiten Burkhardt, die schon mehrfach Unternehmen dabei unterstützt hat, gegen Gewerkschaftsaktive vorzugehen – zum Beispiel die privaten Klinikkonzerne Median und Orpea (zum Dossier). In ihrem Versuch, die Befristung nicht-wissenschaftlich tätiger Studierender zu erhalten, widerspricht die FU auch dem erklärten politischen Willen des Berliner Senats. Dieser hatte im Juni 2019 entschieden, den Hochschulen jährlich vier Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, damit diese im administrativen Bereich tätige Studierende nach dem TV-L bezahlten können. »Dass eine öffentliche Universität dagegen dennoch bis zum Bundesarbeitsgericht geht, lässt tief blicken«, sagt Seppelt. »Und es ist eine krasse Verschwendung von Steuergeldern.« Die FU muss nicht nur die sicher hoch dotierten Anwälte von Beiten Burkhardt bezahlen, sondern auch sämtliche Gerichtskosten tragen.
Die BAG-Entscheidung könnte auch in anderen Bundesländern Auswirkungen haben und der in vielen Hochschulen gängigen Praxis einen Riegel vorschieben, reguläre Stellen im Dienstleistungsbereich mit studentischen Hilfskräften zu besetzen. »Vielerorts werden Studierende für Dienstleistungsarbeiten eingesetzt, ob in der Verwaltung, der IT oder den Bibliotheken«, berichtet Isabella Rogner, die bei ver.di für die Bundesarbeitsgruppe Studierende zuständig ist. »Oft werden sie mehr oder weniger auf dem Niveau des gesetzlichen Mindestlohns bezahlt.« Denn einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, wie ihn die Betroffenen in Berlin mit ver.di durchgesetzt haben, gibt es in keinem anderen Bundesland. »Nun ist klargestellt, dass Aufgaben nach dem Tarifvertrag der Länder auch nach dem TV-L eingruppiert und bezahlt werden müssen«, sagt Rogner, die zum einen die Personalräte aufruft, sich mit dem Thema auseinandersetzen. Zum anderen hätten die Betroffenen selbst die Möglichkeit, gegen ihren prekären Status und die unzureichende Bezahlung vorzugehen. »Sie sollten sich von den Interessenvertretungen und von ver.di beraten lassen. ver.di-Mitglieder erhalten im Fall der Fälle Rechtsschutz.«
Aktenzeichen: Arbeitsgericht: 56 Ca 7094/18; Landesarbeitsgericht: 20 Sa 1830/18; Bundesarbeitsgericht: 7 AZR 245/20