Mit welchen Tricks die Universitätsleitung der Freien Universität Berlin versucht, Beschäftigten und ihren Vertretungen Leiharbeit und Ausgliederungen schmackhaft zu machen!
Ein Beschluss des Kuratoriums kurz vor Weihnachten am 13.12.2021 ließ Gewerkschafter:innen der Freien Universität Berlin und darüber hinaus aufhorchen. Uns erreichte sogar eine Solidaritätserklärung einer Vivantes-Betriebsgruppe. Der Beschluss könnte es der Unileitung ermöglichen, flächendeckend Tätigkeiten auszulagern. Abschließend soll nun der Berliner Senat in der Sache entscheiden.
Unzählige Berufsgruppen werden durch den Beschluss in Frage gestellt, denn wissenschaftsnah sind nahezu alle Beschäftigungsverhältnisse an der FU: die Mitarbeiter:innen im Labor, der Bibliothek, aber auch Techniker:innen, IT-Beschäftigte, Gärtner:innen, Tierpfleger:innen und Verwaltungspersonal. Das berichtete die Junge Welt und der Gesamtpersonalrat der FU. Dass wir als ver.di-Betriebsgruppe und der Gesamtpersonalrat ins Schwarze getroffen haben, zeigt der ausführliche Rechtfertigungsversuch in CampusLeben vom 25.01.2022, in dem versucht wird, die Bedenken zu zerstreuen. Jedoch wird ausgerechnet auf die beiden von uns kritisch betrachteten Punkte des Betriebszwecks nicht eingegangen:
- Unterstützung der Freien Universität Berlin bei wissenschaftlichen Dienstleistungen und sonstigen wissenschaftsnahen Dienstleistungen
- Betrieb und Bewirtschaftung technischer Infrastruktureinrichtungen
Indes erleben viele Beschäftigte in ihren Bereichen Personalmangel. Einstellungen werden zurückgehalten, Stellen aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht besetzt – mit schwerwiegenden Folgen. Aus einer Rundmail des Personalrats Dahlem an den Bereich Veterinärmedizin Mitte Dezember 2021 wurde bekannt, dass der Personalrat Dienstpläne ablehnen musste. Grund war eklatanter Personalmangel, Arbeitsverdichtung und ein daraus resultierendes erhöhtes Unfallrisiko, insbesondere wegen der Arbeit mit Großtieren. Die Universitätsleitung setzte Dienstpläne trotz der Ablehnung des Personalrats in Kraft. Im Zeitraum eines abgelehnten Dienstplans ereignete sich Ende November 2021 ein schwerer Arbeitsunfall, als eine Mitarbeiterin bei dem Führen eines Bullen mehrfach angegriffen und dabei erheblich verletzt wurde. Es war kein weiteres Personal zur Unterstützung eingeteilt, Stellen waren unbesetzt. Das war bereits der zweite schwere Arbeitsunfall dieser Art. Ein Kollege, der vor einigen Jahren in der Nachtschicht von einem Bullen angegriffen und schwer verletzt wurde, ist bis heute arbeitsunfähig.
Und auch aus der Verwaltung der Freien Universität Berlin wird von alarmierendem Personalmangel berichtet. 50 Beschäftigte sollen allein in den letzten zwei Jahren die Personalabteilung verlassen haben. Berichten zufolge litten die Beschäftigten an Bossing, schlechtem Betriebsklima oder bewarben sich weg, weil sie woanders von höheren Eingruppierungen profitieren. Das verbleibende Verwaltungspersonal leidet unter einer erheblichen Arbeitsverdichtung. Die Situation in der Verwaltung ist so dramatisch, dass erhebliche Auswirkungen für alle Beschäftigten der FU zu befürchten sind. Die anfallenden Daueraufgaben sollen nun von Leiharbeiter:innen erledigt werden statt von den Kolleginnen und Kollegen, die man zuvor vertrieben hat. Daueraufgaben an Leiharbeiter:innen zu vergeben ist rechtswidrig!
Mangelnde Bekanntmachung von offenen Stellenausschreibungen
Die Universitätsleitung rechtfertigt den Personalmangel mit erfolglosen Stellenbesetzungsverfahren aufgrund fehlender Bewerbungen, meldet diese aber offensichtlich nicht der Bundesagentur für Arbeit (BA), obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Nach einer Recherche der Betriebsgruppe wurden zum Beispiel bis heute (Stand 27.1.2022) trotz der Notlage sowohl Stellenausschreibungen von dringend gesuchten Tierpfleger:innen als auch von Sachbearbeiter:innen der Verwaltung nicht im Jobportal der BA veröffentlicht,. obwohl Beschäftigte verunfallen und die Verwaltung der FU sehenden Auges zum Erliegen kommt.
Outsourcing fällt nicht vom Himmel, es wird exakt so vorbereitet!
Ausgliederungspläne werden offenbar mit einer gezielten Misswirtschaft und einer Absenkung des Personals vorbereitet, die Beschäftigte an die Leistungsgrenzen treibt. Dieser Missstand wird dann als Argument für Ausgliederungen verwendet! Im Ergebnis konkurrieren sichere Beschäftigungsverhältnisse nach TV-L mit den schlechteren des externen Personals. Zuerst wird den überlasteten Beschäftigten die Ausgliederung als alternativlose Entlastung verkauft, im zweiten Schritt geraten genau diese Beschäftigten unter existentiellen Konkurrenzdruck.
Es ist also an der Zeit, uns noch einmal die unveränderte Position unseres Wahlprogramms zu den Personalratswahlen im November 2020 in Erinnerung zu rufen. Unser konkreter Vorschlag für eine gute Personalpolitik:
Gute Personalpolitik heißt für uns: Dauerstellen für Daueraufgaben, gegen den Missbrauch von Lehraufträgen, Schluss mit sachgrundlosen Befristungen; gegen alle Formen prekärer Arbeit, keine Leiharbeit, kein Missbrauch von Werkaufträgen; Schluss mit dem Druck zu unfreiwilliger unbezahlter Mehrarbeit. Und gegen Personalmangel hilft nur: Personal einstellen zur jeweils bestmöglichen Entgeltgruppe und -stufe und die Sicherstellung einer guten Personalausstattung.
Deshalb solidarisieren wir uns hiermit noch einmal ausdrücklich mit allen Kolleg:innen, die unter Misswirtschaft und Personalmangel leiden. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, uns für Eure Belange einzusetzen. Dazu gehört allerdings nicht, Leiharbeit und Ausgliederungen Tür und Tor zu öffnen, sondern uns entschieden dagegen zur Wehr zu setzen.
Deshalb appellieren wir nochmals an den Berliner Senat, dem eigenen Koalitionsvertrag Taten folgen zu lassen und das dubiose GWI-Projekt abzulehnen.
Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses thematisierten in ihrer Sitzung am 13.01.2022 die Zukunft der Kanzlerin, wie in diesem Video zu sehen ist. Wir hoffen, dass zum Wohle der Beschäftigten und der Studierenden der FU personelle Konsequenzen gezogen werden. Die Situation an der FU lässt keinen Aufschub der Entscheidung des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller zu, der die Abordnung der Kanzlerin Andrea Bör anwies.