Arbeiten an der FU (1): Betriebshandwerker:innen

Arbeiten an der FU (1): Betriebshandwerker:innen
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An der Freien Universität gibt es viele unterschiedliche Berufsgruppen – mit eigenen Charakteristika und Problemen. Den meisten gemeinsam aber sind Personalmangel und/oder Probleme mit der Eingruppierung im Tarifgefüge. Wir wollen einige Berufsgruppen und ihre Arbeit näher beleuchten, hier ein Interview mit Lukas, einem Betriebshandwerker.

Du bist an der FU als Betriebshandwerker angestellt, seit wann arbeitest du dort und wie kann man sich Eure Arbeit vorstellen?

Ich arbeite seit 2006 als Elektriker am Botanischen Garten. Es gibt FU-weit in etwa 34 Betriebshandwerker:innen und 12 Hausmeister:innen, die verschiedenen Bereichen zugeordnet sind. Derzeit bin ich für Personalratsarbeit freigestellt. Die Zuordnung zu den Bereichen ist notwendig, weil es sich um komplizierte Anlagen handelt, die ortsnahes Wissen erfordern. Die Fähigkeit zu erkennen, wie dringend die Behebung einer Störung ist und welche Priorität der Störung zukommt, erlernt man erst im Lauf der Jahre. Komplexe technische Anlagen sind in etwa wie ein Patient, man kann nicht überall gleichzeitig herumdoktern, man muss sich überlegen, was nicht aufgeschoben werden kann. Bei unserer Arbeit steht über allem der Erhalt der wertvollen Lebendsammlung, also der Pflanzen.

Kannst du den Ablauf eines Einsatzes beschreiben?

Wir erhalten über einen Klimarechner in der Zentralwarte des Botanischen Gartens oder durch einen Anruf die Meldung einer Störung. Die Meldung sagt zunächst nicht so viel aus. Beispielsweise wird die vorgeschriebene Temperatur in einem Gewächshaus unterschritten. Wir gehen vor Ort, suchen nach der Ursache und müssen schnell entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind.

Woran kann so eine Temperaturunterschreitung liegen?

Eine Temperaturunterschreitung kann mehrere Gründe haben, eine Störung an der Heizung oder beispielsweise an einer Dachlüftung, die nicht geschlossen ist. Die Lebendsammlung des Botanischen Gartens hat sich über Jahrzehnte daran gewöhnt, gleiche Bedingungen vorzufinden. Bekommt ein Betriebshandwerker die Mängel nicht behoben und die Temperatur sinkt beispielsweise im Winter auf 0 Grad ab, kann großer Schaden entstehen. Selbiges gilt im umgekehrten Fall. Eine Schattierung schließt zum Beispiel im Sommer nicht oder eine Dachlüftung öffnet nicht. Die Temperatur steigt im Gewächshaus sehr schnell an. Das Haus droht „abzukochen“, so nennen wir das, wenn so hohe Temperaturen vorherrschen, dass die Lebendsammlung droht Schaden zu nehmen. Das kann in wenigen Stunden der Fall sein.

Worauf achtet Ihr noch bei Eurer Entscheidung, welche Maßnahmen Ihr einleitet?

Wir achten zum Beispiel auf das Wetter und besprechen uns mit den Sammlungsbereichsleitern vor Ort. Zu unserem Job gehört die Einleitung der richtigen Maßnahmen. In Abhängigkeit der Anforderungen der Pflanzen vor Ort, der Jahreszeit und des Wetters, können diese sehr unterschiedlich ausfallen. In einem Gewächshaus mit Sukkulenten darf bei zu hohen Temperaturen und gleichzeitigem Regen zum Beispiel die zu hohe Temperatur nicht durch vollständiges Öffnen der Dachlüftung korrigiert werden, weil die Sukkulenten kein Wasser von oben vertragen. Es gibt kein 0815-Konzept, man muss je nach Nutzeranforderung unterschiedlich reagieren.

Der Botanische Garten verfügt demnach über modernste Technik?!

Es wurde viel modernisiert, aber der Botanische Garten ist ja mehr als 100 Jahre alt, entsprechend sind dort aus verschiedensten Epochen Anlagen vorzufinden. An vielen Stellen gleicht er einem Technikmuseum, beispielweise wurden in manchen Häusern Dachlüftungen und Schattierungen noch mit Luftdruck gesteuert. Ungefähr ab 2009 wurde damit begonnen, Gewächshäuser zu modernisieren und zu automatisieren.

Wie wurden die Gewächshäuser vor der Automatisierung kontrolliert und wie heute?

Bis 2018 haben die Betriebshandwerker noch in einer 12-Stunden-Wechselschicht jedes Gewächshaus 3x pro Tag und 3x pro Nacht – auch am Wochenende – aufgesucht und die Temperatur, Lüftungen und Schattierungen kontrolliert. Mit 4 Personen wohlgemerkt. 10 Nachtschichten á 12 Stunden hintereinander und Monatsarbeitsstunden von über 220 Stunden waren keine Seltenheit. Jetzt laufen alle diese Störungen – sofern alles funktioniert – zentral am Klimarechner auf. Wir müssen also nicht mehr durchgehend am Wochenende und nachts vor Ort sein, sondern die Störungen werden außerhalb des Tagesgeschäfts über die zentrale Leitwarte der FU an einen Betriebshandwerker übermittelt, der aus seiner Rufbereitschaft bei Störungen ausrückt und dann vor Ort gewerksübergreifend und schnell die richtigen Entscheidungen treffen muss. Der Klimarechner bedeutet einerseits eine Erleichterung der Arbeit, er meldet aber auch viele Störungen, die nicht relevant sind. Die nun überwiegend automatisierte Anlage verlangt uns neue Fertigkeiten ab. Zum Beispiel schalten und steuern wir über die Software Wärmepumpen oder andere Anlagen. Oftmals wechseln wir nach Stromausfällen IT-Bauteile oder Platinen in den Steuerungen.

Wie viele Gewächshäuser und Anlagen habt Ihr am Botanischen Garten?

Der Botanische Garten hat 66 Gewächshausanlagen inklusive Aquarien darunter 17 Schaugewächshäuser mit Besucherverkehr und 49 Anzuchtgewächshäuser. Dazu kommen 14 Dienst- und Nebengebäude mit techn. Einrichtungen, das Botanische Museum mit Besucherverkehr und ein mehrstöckiges Herbarium mit diversen Labor-, Kühl- und Trockenräumen.  Zu unserem Aufgabenbereich gehören aber auch Gebäude wie Kassenhäuser, oder die Botanikschule. Dazu gekommen ist im Jahr 2020 noch ein modernes Veranstaltungsgebäude in der Altenstein Str. 2-4 und das Institut für systematische Botanik in der Altenstein Str. 6.

Was sind die Pflanzen wert und was hätte zum Beispiel eine fehlerhafte Handhabung der Heizung zur Folge?

Wir tragen Verantwortung für 7 Heizstationen, wobei die Heizstation im Maschinenhaus zur Versorgung der Anzuchts- und Schaugewächshäuser die größte Heizstation ist. Würde hier etwas ausfallen und der Betriebshandwerker vor Ort seinen Job nicht richtig machen, wäre das zweifellos eine Katastrophe die bundesweit, wenn nicht sogar weltweit wahrgenommen werden würde. Der Wert der Lebendsammlung kann in Zahlen nicht beziffert werden. Bei den teils über 100 Jahre kultivierten Pflanzen handelt es sich um Biomasse, die, wenn sie über Stunden zu hohe oder zu niedrige Temperaturen vorfinden, ein Fall für den Kompost sind. Da kann man dann nichts mehr retten. Umso umsichtiger und vorrausschauender müssen die Kollegen vorgehen. Unterschiedliche Jahreszeiten und Bedingungen stellen die Betriebshandwerker dabei immer wieder vor neue Herausforderungen. Wir hatten aber noch nie so einen Vorfall, dass Pflanzen eines ganzen Gewächshauses eingegangen sind, auch nicht in der Zeit bis 2009, also vor der Automatisierung, was der Zuverlässigkeit der Kollegen geschuldet ist.

Welche Anlagen betreut Ihr noch?

Es gibt wie in anderen Bereichen der FU etliche spezifische Anlagen, die man nicht aufzählen kann. Darin enthalten sind über 100 Lüftungsanlagen, Gewächshauslüfter, Befeuchtungs- und Beregnungsanlagen, Beschattungsanlagen, CO2-Messanlagen, Diverse Druckluftanlagen. Insgesamt befinden sich in der Anlage ca. 600 Motoren, über 100 Steuerungsschränke, die speziell auf den Botanischen Garten ausgerichtete Klimaüberwachungstechnik mit RAM-Steuerung, Lüftungstürme mit Wärmerückgewinnung, 7 Gasheizungsstationen, 7 Aufzugsanlagen, ca. 20 Automatiktüren, 1 Tankstellenanlage, 3 Trafostationen, 1 Notstromaggregat, 1 Notstrom FU Leitung, eine CO2-Löschanlage und ein Blockheizkraftwerk.

Wie kann man sich die Bewässerung des Botanischen Gartens vorstellen?

Der Garten und die Gewächshäuser werden über ein riesiges Wasserversorgungsnetz aufgeteilt in Stadt-, Brunnen-, Regen- und Weichwasser versorgt. Die 43ha große Anlage muss jeden Tag mit Wasser versorgt werden, aber nicht jede Pflanze verträgt das gleiche Wasser. Wenn im Hochsommer die Wasserversorgung durch den Wasserturm ausfällt, müssen wir schnell reagieren und Lösungen erarbeiten. Dazu gehört auch Wasserkapazitäten aus Zisternen umzuleiten, um Gärtner:innen alternative Lösungen beim Gießen anbieten zu können. Überhaupt ist unsere Arbeit durch einen engen Austausch mit den Gärtner:innen geprägt, denn viele Mängel müssen direkt mitgeteilt und behoben werden, sie dulden keinen zeitlichen Aufschub oder bürokratische Verzögerungen.

Ständig abrufbereit, wird das denn gut bezahlt?

Der Tarifvertrag sieht für Rufbereitschaften Zuschläge vor, die man durchaus als angemessene Entschädigung betrachten kann. Außerdem bekommen die Betriebshandwerker einen Dienstwagen für den Zeitraum der Rufbereitschaft und ein Handy, so dass sie schnell vor Ort sein können. Ob die Rufbereitschaft allerdings gut bezahlt ist, würden Kolleginnen und Kollegen vermutlich unterschiedlich bewerten. Derzeit werden seit August 2021 die Zuschläge nicht mehr ausbezahlt, was für Unmut bei den Beschäftigten sorgt. Uns wurde mitgeteilt, dass Personalmangel in der Personalstelle der Grund für Lohnrückstände ist. Dort sollen wohl 50 Beschäftigte gekündigt haben. Wir hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung bald Unterstützung durch Personalaufstockung erfahren und die Lohnrückstände ausbezahlt werden.

Werdet Ihr denn sonst gut bezahlt?

Jein, da muss ich etwas weiter ausholen, denn die FU gruppiert Betriebshandwerker:innen unterschiedlich ein. Der überwiegende Teil, also neunzehn der vierunddreißig Betriebshandwerker:innen sind nach der Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Sieben Betriebshandwerker:innen nach der Entgeltgruppe 6 sowie acht Betriebshandwerker:innen nach der Entgeltgruppe 5. So steht es zumindest im Haushaltsplan der FU. Aus älteren Haushaltsplänen vor dem Jahr 2018 ist zu lesen, dass es keine Betriebshandwerker:innen mit der Entgeltgruppe 5 gab. Es hat da offenbar eine Änderung stattgefunden. Meine Kollegen und ich wurden, nachdem die Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum, eine hundertprozentige Tochter der FU, aufgelöst wurde, mittels Betriebsübergang an die FU rückgeführt und werden nach E5 bezahlt. Aber auch andere Betriebshandwerker, die nach dem 01.01.2018 angestellt wurden, wurden nicht nach der E7, sondern niedriger eingruppiert. Auch sie bauen Dinge von der Produktauswahl, Preisrecherche, der Installation bis hin zur Inbetriebnahme selbstständig, ohne dass die Arbeiten noch einmal von einem Meister abgenommen werden. Uns Betriebshandwerker des Botanischen Gartens sagte man, wir müssten nur eine Neubewertung der Stellen beantragen und dann könne alles angepasst werden.

Ist die unterschiedliche Bezahlung für Euch nachvollziehbar?

Nein, denn wir arbeiten ja alle an den gleichen Anlagen mit den gleichen Anforderungen, warum sollten wir dann unterschiedlich eingruppiert sein. Das ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn. Es soll sogar Betriebshandwerker:innen gegeben haben, die haben sich auf eine E7 Stellenausschreibung beworben, wurden dann aber niedriger eingruppiert. Wir haben erst nach unserer Rückführung erfahren, als wir unsere neuen Kolleg:innen der FU kennenlernten, dass diese höher eingruppiert sind. Sie sagen ebenfalls, dass sie es nicht verstehen könnten und erklärten sich zum größten Teil solidarisch mit uns. Uns wurde immer gesagt, dass die Anlagen am Botanischen Garten nicht so kompliziert seien, als die an den anderen Standorten der FU. Kolleginnen und Kollegen, die uns vor Ort besuchen, konnten das allerdings nicht bestätigen. Wie gesagt: Botanischer Garten klingt so nach Feldern und Bäumen, in Wirklichkeit ist die Anlage voll mit automatisierter hochkomplizierter Gewächshaustechnik. Von unseren Entscheidungen hängt ab, ob der Erhalt der wertvollen Lebendsammlung aus technischer Sicht gewährleistet ist. Besonders unsinnig wird die unterschiedliche Bezahlung bei der Rufbereitschaft, denn bei einem Einsatz muss ein E5er genau so zuverlässig und sicher Störungen richtig einschätzen, wie ein Beschäftigter, der nach E7 eingruppiert ist.

Wäre denn der Umfang der Mehrkosten für die FU so gravierend?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, lass mich mal rechnen: Der Lohnunterschied bei einer mittleren Erfahrungsstufe zwischen E6 und E7 liegt in etwa bei 90 Euro brutto. Der Lohnunterschied zwischen E5 und E7 in etwa bei 200 Euro brutto. Würden alle E5 und E6 Betriebshandwerker:innen auf eine E7 höhergruppiert, würde das für die FU Lohnmehrkosten von 2230 Euro pro Monat bedeuten. Der Lohnzuwachs für die Beschäftigten ist überschaubar, ich denke vielen geht es aber auch nicht nur ums Geld, sondern sie sind frustriert, wegen der Ungleichbehandlung.

Was unternehmt Ihr, um die ungleiche Bezahlung zu beenden?

Wir haben Anträge auf eine Neubewertung der Stelle gestellt. Diese werden allerdings seit April 2018 nicht bearbeitet. Die Neubewertungen der Stellen konnten aufgrund Personalmangels in der Stellenwirtschaft nicht bearbeitet werden – so teilte man es uns jedenfalls mit. Einige mussten Klage einreichen, so dass ihre Ansprüche nicht verfallen. Eine interne Geltendmachung reicht nach drei Jahren nicht mehr aus, man ist praktisch gezwungen, diese vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Stellenbeschreibungen haben wir ebenfalls eingefordert, diese aber nie erhalten. Soweit wir wissen, haben unsere Kolleginnen und Kollegen an anderen Standorten ebenfalls keine bekommen. Wir haben in dieser Sache auch Kontakt zu unserer Gewerkschaft aufgenommen. Ich persönlich kann nur sagen, dass die Organisierung in einer Gewerkschaft genau der richtige Weg ist, diese Dinge zum Positiven zu ändern. Große Unterstützung erfahren wir auch durch den Personalrat Dahlem, der sich der Sache angenommen hat.

Du hast beschrieben, dass die Anlage modernisiert wurde. Habt Ihr Weiterbildungen zur neuen automatisierten Technik erhalten?

Nein, wir haben seit 15 Jahren keine Weiterbildung beispielsweise zu Lüftungstechnik und MSR-Technik erhalten, während sich unser Tätigkeitsfeld massiv verändert hat. Es galt bei uns immer Learning by doing. Aber nicht alles kann man sich auf diesem Wege selbst aneignen. Es gibt einfach neue Technologien, die von fachmännischer Seite vermittelt werden müssen.

Wo siehst Du noch Verbesserungsbedarf und was schlägst Du vor, um etwas für die Beschäftigten der technischen Abteilung zu verbessern?

Wir stellen fest, dass der Tätigkeitsumfang durch Vorgaben von oben immer weiter eingeschränkt wird. Zum Beispiel dürfen wir keine Fahrbühnen, Rundumläufe, Hubsteiger oder hohe Leitern mehr betreten. Das führt dazu, dass immer mehr eigentlich einfache Tätigkeiten, wie das Wechseln von Leuchtmitteln an Laternen von Fremdfirmen erledigt werden müssen. Ein überwiegender Teil der Anlagen im Botanischen Garten befindet sich zum Beispiel unter den Gewächshausdächern. Ist dort eine Leuchtstoffröhre defekt, muss eine Firma kommen. Ich weiß auch von anderen Standorten, dass die Betriebshandwerker solche Vorgaben sehr kritisch sehen.

Möchtest Du Deinen Kolleginnen und Kollegen noch etwas mit auf dem Weg geben?

Ich rate alle Betriebshandwerker:innen und Beschäftigten der technischen Abteilung, sich zusammenzuschließen und sich gewerkschaftlich zu organisieren. Dies ist letztendlich auch im Interesse der „höher eingruppierten Beschäftigten der technischen Abteilung“, denn wie jüngste Entwicklungen zeigen, ist auch die TA nicht vor Privatisierungsvorhaben sicher.