ver.di-Mitglieder fordern Mitbestimmung, Demokratie und Transparenz!
Am 13. September 2022 fand eine tarifpolitische Konferenz zur Auswertung der Tarifrunde der Länder (TV-L) in Berlin statt. Auf dem Programm stand auch ein kritischer Rückblick, wie bessere Ergebnisse in den anstehenden Tarifrunden erzielt werden können.
Die Ausgangslage
Die anstehenden Realllohnverluste sind besorgniserregend. Das IFO-Institut prognostiziert im ersten Quartal 2023 eine Inflation bis zu 11 Prozent, die Laufzeit und Friedenspflicht des Tarifvertrags der Länder endet jedoch erst im Dezember 2023. ver.di hat sich somit in eine Sackgasse manövriert. Wir hatten als ver.di-Betriebsgruppe der FU das Tarifergebnis bereits im Dezember 2021 abgelehnt (Beschluss der ver.di-Betriebsgruppe zum Tarifergebnis) und im Mai 2022 die Gewerkschaften aufgefordert in einen Kampf um einen Inflationsausgleich zu treten (Beschluss der Ver.di-Betriebsgruppe zur Gleitenden Lohnskala)! Bei der tarifpolitischen Konferenz versuchten wir und viele andere Aktive Lösungen zu erarbeiten und Veränderungen hin zu einer Demokratisierung der Tarifbewegung zu erreichen!
Ablauf der Konferenz
In acht Workshops wurden von den ca. 80 anwesenden ver.di-Mitgliedern z.B. Fragen zur Forderungsaufstellung sowie zu Mobilisierungs- und Streikstrategien diskutiert. Verbesserungsvorschläge konnten drei Kategorien zugeordnet werden:
- Was kann beibehalten werden und lief gut?
- Wo herrscht Reformbedarf?
- Was muss vollständig geändert werden?
Insgesamt war eine Diskussion in großer Runde nur für 1,5 Stunden im ganztägigen Programm vorgesehen. Darin enthalten war auch die Rede der stellvertretenden ver.di-Bundesvorsitzenden Christine Behle.
ver.di-Mitglieder fordern Mitbestimmung!
Bereits in den Workshops wurden fast ausnahmslos Vorschläge zum Reformbedarf und zu dem, was vollständig geändert werden, aufgenommen. Stark kritisiert wurden undemokratische und intransparente Verfahren in den vergangenen Tarifrunden. Nicht wenige forderten deshalb ein verbindliches Verfahren für eine lückenlose Abstimmung der vom Tarifvertrag betroffenen ver.di-Mitglieder über das Verhandlungsergebnis als Bedingung für eine Tarifeinigung. Verärgert zeigten sich Mitglieder, dass sie erst befragt wurden, nachdem in der Presse eine Tarifeinigung bereits verkündet war. Die Ankreuzoption einer Ablehnung des Verhandlungsergebnisses und eine Fortsetzung des Arbeitskampfmaßnahmen war in der sehr lückenhaft durchgeführten Befragung nicht mal vorgesehen.
Strukturelle Kritik
Viele der Anwesenden bezeichneten die Bundestarifkommission, die zwar zur Konferenz eingeladen war, der Einladung aber nicht folgte, als intrasparente Blackbox. Die Forderung nach mehr Demokratie wurde dann noch einmal deutlich, als über eine Webseite alle Anwesenden aufgefordert wurden, drei wesentliche Forderungen als alleinstehende Begriffe in ein Onlinetool einzugeben. Die Auswertung wurde dann über dem Podium an die Wand projeziert und lautete im Wesentlichen: “Mehr Transparenz, (Basis-)Demokratie und Mitbestimmung”. Am Ende der Veranstaltung entstand aufgrund eines Antrags der ver.di-Betriebsgruppe der FU noch einmal eine Debatte darüber, ob die tarifpolitische Konferenz ein Zeichen setzt, dass eine Abstimmung der vom Tarifvertrag betroffenen Mitglieder als Vorraussetzung für einen Tarifabschluss künftig eine zwingende Voraussetzung sein soll. Die stellv. Bundesvorsitzende zeigte allerdings wenig Verständnis für grundlegende Reformforderungen dieser Art und blieb insgesamt sehr unkonkret darüber, ob sie sich für mehr Transparenz und demokratische Prozesse einsetzen wird.
Das alte Lied braucht neue Töne
Kollegin Behle wiederholte zu unserem Bedauern fast mantraartig die Auffassung, dass der niedrige Organisationsgrad der Grund für schlechte Tarifabschlüsse sei. Eine Analyse, die aus unserer Sicht völlig verkürzt und aus der Zeit gefallen ist. Denn: Der niedrige Organisationsgrad ist Folge der mangelnden Mitbestimmung und nicht umgekehrt. Wir stellen deshalb fest, dass das Ergebnis der tarifpolitischen Konferenz die Forderung nach mehr direkter Demokratie und Mitbestimmung ist.
Wer möchte schon Teil einer Tarifbewegung sein, bei der er keine Mitbestimmung über das Tarifergebnis hat? Wer möchte Mitgliedsbeiträge an eine Organisation zahlen, die bei wesentlichen Entscheidungen, wie z.B. bei Tarifergebnissen, über den Kopf weg entscheidet?
Wir sehen deshalb die Notwendigkeit die anstehende Tarifrunde nicht nur zur nutzen um Forderungen an die Arbeitgeber zu richten, sondern auch mehr Mitbestimmung, Transparenz und Demokratie innerhalb UNSERER Gewerkschaft durchzusetzen!
Im Folgenden können die Forderungen aus der ver.di-Betriebsgruppe der FU zum Verfahren der anstehenden Tarifrunde im Detail nachgelesen werden. Wir rufen Betriebsgruppen und Gewerkschafter dazu auf, diese Forderungen zu diskutieren und sich anzuschließen!
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Thesen aus der BG FU zur Tarifpolitischen Konferenz am 13.09.2022
Ver.di muss die Gewerkschaft ihrer Mitglieder werden!
Von der Forderungsfindung bis zum Tarifabschluss: Die Mitglieder müssen entscheiden!
Es muss eine wirkliche Diskussion in und zwischen den Betriebsgruppen über die Forderungen, über den Arbeitskampf/Streik und über ein mögliches Ergebnis organisiert werden. Individuelle Befragungen und Telefonaktionen können und dürfen das nicht ersetzen.
Das heißt:
- Auf betrieblicher Ebene: die Wiederbelebung der Streikversammlung, organisiert durch die jeweiligen Betriebsgruppen, als zentrales Organ der Mobilisierungs- und Arbeitskampfmaßnahmen.
- Auf überbetrieblicher Ebene: Versammlungen von demokratisch gewählten (und abberufbaren!) Streikdelegierten
- Die Streik(delegierten)versammlungen entscheiden über Aufnahme, Durchführung und Ende von Streiks.
- Die Tarif- und Verhandlungskommission wird von der zentralen Streikversammlung gewählt.
- Die Tarifkommission ist zwar verhandlungsberechtigt, sie darf aber keine Entscheidungen treffen, sondern muss die Mitglieder bzw. die Streikdelegiertenversammlungen befragen.
- Über vorläufige Verhandlungsergebnisse muss eine Diskussion ermöglicht werden, bevor eine Abstimmung darüber erfolgt.
- Über Verhandlungsergebnisse und alle weiteren möglichen Arbeitskampfmaßnahmen dürfen dann ausschließlich die betroffenen Gewerkschaftsmitglieder entscheiden. Hierfür muss ein digitales Verfahren entwickelt werden, so dass die betroffenen ver.di-Mitglieder über ihre Mitgliedsnummer zentral befragt werden, ob sie das Angebot annehmen oder weiterkämpfen wollen.