Bericht von der Kuratoriumssitzung am 20.04.2023
Unter dem Motto „Statt Fachkräftemangel lieber Tarifvertrag einhalten!“ folgten knapp 50 FU-Angehörige, darunter Beschäftigte der Veterinärmedizin und der Betriebstechnik, dem Aufruf des Gesamtpersonalrats zur kritischen Begleitung der Kuratoriumssitzung.
Sie kritisieren: Der Hauptgrund für den Personalmangel an der FU liegt daran, dass in den letzten Jahren Arbeitsbedingungen immer schlechter wurden. Grundlegende, eigentlich selbstverständliche Rechte aus dem Tarifvertrag TV-L FU wie tarifliche Zuschläge für Schichtarbeit und Überstunden oder tarifkonforme Eingruppierungen würden nicht von der FU ausbezahlt, sondern müssten von den Beschäftigten individuell geltend gemacht und auf eigene Kosten eingeklagt werden.
Der Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin, Dr. Rösler, trug in seinem Bericht gegenüber dem Kuratorium vor, Personalmangel sei der Grund gewesen, dass in der Vergangenheit eine Vielzahl an Überstunden angeordnet werden mussten. Ruhezeiten konnten deswegen nicht eingehalten und Dienstpläne nicht rechtskonform erstellt werden. Angesichts dieses Eingeständnisses verwundert es sehr, dass Auszubildende des Fachbereichs Veterinärmedizin, die ebenfalls die Kuratoriumssitzung besuchten, vor Kurzem erst schriftliche Absagen für eine mögliche Weiterbeschäftigung erhalten haben. Zudem irritiert, dass es eine Vielzahl ausfinanzierter Haushaltsstellen gibt, sogar ausstehende Mutterschaftsvertretungen, die nicht zur Ausschreibung gebracht werden.
Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, Claudius Naumann, kritisierte in seinem Beitrag, dass der Tarifvertrag über lange Jahre hinweg an der FU nicht konsequent im Sinne der Beschäftigten und der Gewinnung von Fachkräften eingehalten werde. Der Fachbereich Veterinärmedizin sei nur ein besonders anschauliches Beispiel für die Mängel diesbezüglich. Auch z.B. in den Bereichen Medien- und Betriebstechnik müssten Beschäftigte angemessene Eingruppierungen für ihre Tätigkeiten erst individuell gerichtlich erstreiten, die vor einigen Jahren an der FU noch gängige Praxis waren.
Des Weiteren führte der Vorsitzende aus, dass es nicht hinnehmbar sei, dass durch Privatliquidation durch die Professoren z.B. im Fachbereich Veterinärmedizin privates Vermögen in astronomischen Summen erwirtschaftet würden. Privatliquidation meint hier: Professoren stellen Patienten der Tierkliniken bei der Patientenversorgung unter Nutzung der FU-Infrastruktur und des ohnehin überlasteten Personals private Rechnungen – gleichzeitig wird das dafür herangezogene Personal der Freien Universität Berlin nicht mal tarifkonform vergütet! Der Vorschlag im Konzeptpapier lautete hierzu, diese Einnahmen auf das doppelte eines Professorengehalts im Monat zu deckeln. Dekan Rösler verteidigte diese Praxis privater Gewinne als rechtlich zulässig, daran müsse man sich halten. Man kann nur ahnen, welche privatwirtschaftlichen Gewinne durch einige wenige mittels „Privatliquidation“ unter Ausnutzung der FU-Infrastruktur und des FU-Personals realisiert werden, wenn bereits eine Begrenzung auf das Doppelte eines Professorengehalts eine Deckelung bedeutet!
Die Einhaltung des Tarifvertrags hingegen fand in den vergangenen Jahren im Fachbereich Veterinärmedizin kaum Beachtung. Auch die bei vollen Bezügen von ihren Amtsgeschäften entbundene Kanzlerin Frau Bör verfolgte aus dem Besucherbereich die Diskussion über die in ihrer Verantwortung liegenden Tarifvertragsverstöße.
Der flächendeckende Verstoß gegen den TV-L (FU) war aus unserer Sicht kein Versehen, sondern hatte Kalkül. Die Bezahlung nachträglich gerichtlich einzufordern, kostet die Beschäftigten Energie, Zeit und Geld. Nicht jede*r hat das Geld für einen Anwalt. Und jede*r, der nicht einfordert, bedeutet für die FU gespartes Geld. Ein weiteres deutliches Indiz für Kalkül sind unserer Ansicht nach Berichte von Beschäftigten über explizite Anweisung in einigen Bereichen an die Beschäftigten, Arbeitszeiten nicht vollständig korrekt aufzuschreiben und kostspielige Überstunden nicht der Personalstelle zu melden!
Eine Passage im Konzeptpapier zur Umstrukturierung des Fachbereichs Veterinärmedizin sorgte für besonderen Unmut und wurde im Nachgang von den Beschäftigten diskutiert. Eine „Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung, Reduzierung von Ruhezeiten und für längere Schichten“ soll nun laut Rösler Abhilfe schaffen – nebenbei der einzige Punkt, bei dem die Beschäftigten überhaupt thematisiert wurden. Ein Vorschlag, der daher auch bei den Anwesenden für Kopfschütteln sorgte. Es waren ja genau diese fehlenden Ruhezeiten, flexibilisierte Arbeitszeiten nach Gutsherrenart und Marathonschichten, die in den vergangenen Jahren dazu führten, dass immer mehr Fachkräfte ermüdet gekündigt und die FU verlassen haben! Die sog. Umstrukturierung entpuppt sich somit als Maßnahme zur Leistungsoptimierung.
Kanzlerin Andrea Güttner zeigte sich enttäuscht über den Vortrag des Gesamtpersonalrats. Man hätte sich schließlich auf den Weg gemacht. Sie würde den Beschäftigten vor Ort zuhören und man hätte große Schritte gemacht: etwa durch einen Präsidiumsbeschluss, der die Ausschlussfrist für die Nachzahlung der vorenthaltenen Zuschläge von 6 Monaten auf 3 Jahren erweitert. Zum einen bedeutet dies für alle Zeiträume davor immer noch einen massiven Lohnverlust für die Beschäftigten. Die Ansprüche sind schlicht verjährt. Zum anderen ist auch Fakt: Die sog. Umstrukturierungen im Fachbereich Veterinärmedizin werden im Schweinsgalopp durchgezogen – mit massiv unzureichender Beteiligung der Personalräte und der Beschäftigten. Der Personalrat Dahlem muss ihm zustehende Basisinformationen zur Ausübung der Mitbestimmung wie etwa Stellenpläne auf dem Klageweg erstreiten. Dienstpläne werden – möglicherweise aus Angst, dass sie wegen Verstoßes gegen die rechtlichen Bestimmungen u.a. des Arbeitsschutzes abgelehnt werden – immer weniger zur Mitbestimmung vorgelegt. Als Zeichen für den „Bären, der den Beschäftigten und ihren Vertretungen aufgebunden wird“, übergab deshalb ein Mitglied des Personalrats Dahlem einen großen Stoffbären an den Präsidenten der FU.
Der Tagesordnungspunkt zur neuen Teilgrundordnung musste dann aus Zeitgründen verschoben werden. In einer Beschlussempfehlung an den Senat beabsichtigt die FU offenbar zur Stärkung der Tarifautonomie, dass der Senat künftig nicht mehr Sitz und Stimme im Kuratorium haben soll. Wir sehen das höchst kritisch, denn gerade der Fall Veterinärmedizin veranschaulicht deutlich, dass die Mittelgeber als Kontrollorgan unbedingt weiterhin Teil des Gremiums sein sollten. Denn: die finanziellen Mittel für die Gehälter – inklusive der einkalkulierten tariflichen Zuschläge für Überstunden, Schichtarbeit, Sonn- und Spätschichtzuschläge – sind ja an den Fachbereich Veterinärmedizin überwiesen worden. Sie kamen nur nicht bei den Beschäftigten als Entlohnung für ihre Arbeit an!
Im neuen Berliner Hochschulgesetz ist außerdem vorgesehen, dass die Gewerkschaften festes Mitglied der Universitätskuratorien werden. Dies soll in der Teilgrundordnung der FU nicht umgesetzt werden. Man kann angesichts der vielfältigen Mängel bei der Umsetzung des Tarifvertrags und des Arbeitsschutzes den Grund für diese ablehnende Haltung seitens der FU-Leitung durchaus erahnen. Die Teilnahme der Gewerkschaften in den Universitätskuratorien halten wir angesichts der herrschenden Zustände und vielfach bereits benannten Mängel zulasten der Beschäftigten für zwingend erforderlich. Eine Universitätsleitung, die korrekt die Tarifverträge umsetzt und sich an Recht und Gesetz (z.B. im Bereich Arbeitsschutz) hält, hat schließlich nichts dadurch zu befürchten!