Mit Empörung hat die Mitgliederversammlung der ver.di-Betriebsgruppe vom 24.08.2023 nachfolgende Vorgänge an der Freien Universität zur Kenntnis genommen und nachfolgende Erklärung beschlossen:
Laut Vortrag des Gesamtpersonalrats der FU im Kuratorium der FU am 20.04.2023 erhielten im Zeitraum 2016 bis 2020 mindestens 81 Personen u.a. in strategisch wichtigen Positionen durch Entgeltumwandlung von Gleitzeitkonten insgesamt 600 000 Euro zusätzlich.
So soll beispielsweise die Möglichkeit geschaffen worden sein, den Wert eines Kleinwagens, gesplittet in Kleinbeträgen über zig Monate hinweg, zusätzlich zum Grundgehalt vergütet zu bekommen. Besonders pikant: Laut dem Antragsformular wird auf Vorlage der Gleitzeitbögen ausdrücklich verzichtet.
Die Dienststelle überstrapaziert dabei § 8 (4) TV-L FU aus unserer Sicht massiv zu Gunsten einiger Weniger:
„(4) 1 Wird die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten, können die Beschäftigten die überschreitende Arbeitszeit als Zeitgutschrift führen. 2 Zeitgutschriften, für die aus dringenden betrieblichen Gründen ein Freizeitausgleich nicht möglich ist, können auf Antrag der oder des Beschäftigten finanziell abgegolten werden.“
Eine monate- und teils jahrelange Abgeltung von Mehrarbeit widerspricht jedoch eklatant den o.g. „dringenden betrieblichen Gründen“. Ein „dringender betrieblicher Grund“ kann nämlich immer nur temporär vorliegen, bevor gemäß Dienstvereinbarung zur Gleitenden Arbeitszeit (2004) geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Missstand abzustellen. Die Dienstvereinbarung schreibt im Regelfall vor, dass Mehrarbeit mit Freizeitausgleich abzugelten ist und nur maximal 80 Stunden (25 Stunden pro Monat) angesammelt werden können. Auch aus diesem Grund ist – wie in dem exemplarisch aufgeführten Fall – eine regelmäßige Zahlung über mehrere Jahre in Folge weder verständlich noch tragbar.
Unsere besondere Empörung gilt auch dem Umstand, dass an der FU scheinbar mit zweierlei Maß gemessen wird. Es wirkt so, als ob das Präsidium den Tarifvertrag, der „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ gewährleisten soll, zum Zweiklassenentlohnungssystem verkommen lässt. Einerseits wird vehement und fortgesetzt gegen den TV-L verstoßen. Andererseits kommt es gleichzeitig für einige glückliche Wenige zu hohen „Zusatzauszahlungen“. Während für diesen Personenkreis offenbar ein Antrag an die Dienststelle ausreicht, um zusätzliches „Bonus“-Entgelt zu erhalten, müssen etliche Beschäftigte, vornehmlich unterer Entgeltgruppen an der FU, ihre grundlegenden Entgeltansprüche / Zuschläge aus dem Tarifvertrag schriftlich geltend machen oder den kostspieligen Klageweg beschreiten.
Die Veröffentlichung des Personalrats Dahlem vom 24.03.2023 zur Vorenthaltung von Zuschlägen im Fachbereich Veterinärmedizin (Rechtsgrundlage: TV-L § 8) stützt diesen Eindruck:
Zitat: „Es häufen sich Berichte von Beschäftigten in Ihrem Fachbereich, dass sie aufgefordert werden, Arbeitszeiten oder Überstunden nicht mehr zu dokumentieren. Dies ist nicht nur aus Gründen des Versicherungsschutzes ein grober Verstoß gegen arbeitsrechtliche Grundsätze. Sollte dies dennoch geschehen, bitten wir Sie uns das mitzuteilen“
Wir nehmen empört zur Kenntnis, dass einer Vielzahl von Beschäftigten ihre tarifvertraglichen Ansprüche wie die Auszahlung von Zuschlägen mit Verweis auf den Personalmangel in der Personalstelle vorenthalten werden. Gleichzeitig wird eine kleine Anzahl an Personen – in zufälligerweise strategisch wichtigen Funktionen – unter erheblichem zusätzlichen Verwaltungsaufwand bessergestellt.
Wir weisen hiermit ausdrücklich darauf hin, dass mit dieser Erklärung nicht die Kolleg:innen gemeint sind, die aufgrund von strukturell bedingter Überlastung vom Antrag der Entgeltumwandlung ausnahmsweise aus dringenden betrieblichen Gründen davon Gebrauch gemacht haben. Vielmehr erscheint uns höchst befremdlich, dass dieses Instrument sich an einigen Stellen offenbar verselbstständigt hat. Denn wenn über lange Zeiträume hinweg regelmäßig die gleichen Beträge überwiesen worden sein sollen, scheint hier eine gewisse „Übung“ entstanden zu sein.
Diese Zahlungen stellen unserer Ansicht nach im Hinblick auf die konkreten Funktionen der Begünstigten einen von der Rechtsaufsicht des Senats dringenden zu prüfenden Sachverhalt dar. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Positionen handelt(e), die Einfluss auf die Einhaltung des Tarifvertrags haben (oder hatten) und mitverantwortlich für die vielfältigen Verstöße an der FU sind (oder waren).
Erschwerend kommt hinzu, dass eine Vielzahl von ausschreibungspflichtigen und hochdotierten Stellen überhaupt nicht zur Ausschreibung gebracht wurden. Bestimmte Beschäftigte konnten so in hochdotierte Stellen gelangen, ohne dass andere Bewerber*innen jemals die Chance hatten, sich auf diese Stellen zu bewerben. Das heißt, einige Personen könnten sowohl von einer Umsetzung auf eine höhergruppierte Stelle als auch von der Entgeltumwandlung der Gleitzeitkonten über einen langen Zeitraum hinweg profitiert haben!
Dieses Vorgehen zeigt sehr eindrucksvoll, dass an der FU nachhaltiger Schaden, sowohl durch Begünstigungen als auch Tarifvertragsverstöße, billigend in Kauf genommen wird. Das Wohl des vom Steuerzahler finanzierten Universitätsbetriebs hingegen scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Bewertungen der FU als Arbeitgeberin auf Portalen wie kununu.de sprechen in dieser Hinsicht auch eine deutliche Sprache.
Wir fordern hiermit erneut für ALLE FU-Beschäftigten die lückenlose und korrekte Anwendung des Tarifvertrags! Das heißt konkret: tarifgerechte Eingruppierungen, Stufenfestsetzungen, Auszahlungen von anfallenden Zuschlägen und besonders die Aufarbeitung der hier geschilderten Vorkommnisse, damit die Zukunft für alle an der FU eine bessere wird!
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